Marken sterben nicht, sie werden zu Tode gemanagt.
Zusammenfassung:
- Verlust an Markenstärke und Kundenakzeptanz ist hausgemacht
- Fehlgeleitetes Markenverständnis führt zu Managementfehlern
- Marken-Identität ist bei vielen Unternehmen nicht bekannt
- Unternehmen führen Marken oftmals nach Quartalsergebnissen und Vertriebszielen
- Der Kunde – das unbekannte Wesen
- Sinn-lose Marken verlieren immer mehr an Glaubwürdigkeit und Wertschätzung
Das zunehmende Markensterben hat eine klare Ursache: Ein fehlgeleitetes Markenverständnis führt zu Managementfehlern, welche die Marke schwächen und ihre Existenz bedrohen. Marken besitzen jedoch gegenüber Produkten keinen Lebenszyklus. Richtig geführt, können sie ewig leben.
Wer heute als Marke Top ist, kann morgen schon ein Flop sein. Ein flapsiger Spruch? Nein, schockierende Realität! Immer mehr einst strahlende Marken verlieren an Kraft und Wert. Man denke nur an Nokia, Karstadt, Chrysler, Dresdner Bank, Revox oder Peugeot. Ehemals starke Marken sind sogar plötzlich vom Markt verschwunden, wie Hertie, Bilka, LTU, Horten, Neckermann, Dual, Saba, Thorens, Commodore, Pontiac, Uher oder Zündapp. Und manche Marken sind dem Tod gerade noch von „Der Schippe gesprungen“, wie Junghans, Salamander oder Märklin.
Das betrifft nicht nur ältere Marken. Vor allem in der deutschen Fashion-Industrie geht das Markensterben immer schneller voran: Strenesse, Apriori, René Lezard, Mexx, Delmod, Steilmann, Basler, Gardeur, Wöhrl oder SinnLeffers.
Die Ursache liegt im Nachlassen der Markenstärke. So verlieren zum Beispiel auch heute noch bekannte Einzelhandelsmarken aus Sicht der Konsumenten immer mehr an Markenstärke und damit an Anziehungskraft. Die Verbraucherstudie „Retail Brands in Deutschland“ der Strategieberatung Batten & Company kam aktuell zu folgenden erschreckenden Ergebnissen: Karstadt (6,62) ist um 17 Plätze auf Rang 25 abgestürzt. Auch Douglas (6,75) gehört zu den Verlierern, der Relaunch ist bei den Konsumenten noch nicht angekommen. In der Baumarktbranche sorgen die Pleiten von Praktiker und Max Behr und der intensive Preiskampf weiter für Verunsicherung. Man rechnet mit weiteren Pleiten. Hornbach (6,38) verliert mit 12 Plätzen noch wesentlich drastischer als die Konkurrenz. Und besonders deutlich wird diese Entwicklung im Lebensmittelhandel: der Trading-Up-Trend der Discounter, bei gleichzeitiger Verschärfung des Preiskampfes, setzt die klassischen Filialketten enorm unter Druck, da sie sich nicht mehr eindeutig abgrenzen können und die Kunden nicht mehr wissen für was die Marke steht.
Liest man zudem noch die aktuellen Ergebnisse der Unter-suchungen des Brand Asset Valuators (BAV) der Agentur Young & Rubicam aufmerksam, so stellt man fest, dass auch Marken anderer Branchen von dieser Entwicklung betroffen sind. Danach ist generell der Wert der Marken, gemessen an der Glaubwürdigkeit, Wertschätzung, wahrgenommenen Qualität und Markenbekanntheit, über die untersuchten Jahre stark gesunken. So ist zum Beispiel die Glaubwürdigkeit innerhalb von zwölf Jahren um fast 50 Prozent zurückgegangen, die Wertschätzung um 12 Prozent und die wahrgenommene Markenqualität um 24 Prozent. Selbst die Markenbekanntheit ist um 24 Prozent gesunken. Und diese Entwicklung hat sich seit der Finanzkrise 2008 fortgesetzt und sogar noch beschleunigt.
Warum verlieren aber immer mehr Marken ihre ursprüngliche Stärke und ihre Werthaltigkeit? Die Hauptursache sind Managementfehler aufgrund eines fehlgeleiteten Markenverständnisses, also „hausgemacht“. So folgen immer noch viele Unternehmen in der Führung ihrer Marken Definitionen, die im Wesentlichen eine reine Identifikations- und Differenzierungsfunktion auf der Kompetenzebene verfolgen. Der Kunde kommt darin gar nicht oder nur am Rande vor. Eine Marke entsteht jedoch aus der Wirkung der Unternehmensleistung auf den Marktteilnehmer. Allein das Verhalten des Nachfragers bestimmt, ob sich eine Unternehmensleistung als Marke etabliert. Neuere Markendefinitionen fokussieren deshalb die Wirkung der Unternehmensleistung auf und den Nutzen für den Kunden. Nach diesem wirkungs- bzw. wahrnehmungsbezogenen Ansatz lebt eine Marke im Wesentlichen über die Bilder, Gefühle, Vorstellungen und Eigenschaften, die sie beim Kunden erzeugt. Unter Hinzuziehung eines systemorientierten Markenführungsansatzes wird die Marke als „lebendes Wirtschaftssystem“ mit einer inneren Struktur begriffen, dessen Eigenkräfte das Wachstum der Marke steuern und auf dem Vertrauen ihrer Kunden beruhen, das sich an der selbstähnlichen Identität der Marke festmacht. Aus diesem Blickwinkel stellen starke Marken zwei zentrale Erfolgsvoraussetzungen sicher: Differenzierung – Einzigartigkeit der Marke und Relevanz individueller Kundennutzen. Werden diese Voraussetzungen jedoch nicht kontinuierlich geschaffen, verliert die Marke ihre Anziehungskraft und die Kunden wenden sich von ihr ab. Der Anfang des Markensterbens.
Dass der Verlust von Markenstärke hausgemacht ist, zeigt sich zum Beispiel auch an der erschreckend hohen Floprate bei Fast Moving Consumer Goods (FMCG) und deren Ursachen: Bereits 70 Prozent aller neu eingeführten Artikel sind nach 12 Monaten nicht mehr in den Ordersätzen des Handels. Nur 17 Prozent sind vom Start weg erfolgreich. Das bedeutet ein Fehlinvestment von 10 Milliarden Euro im Jahr. Die Ursachen haben Serviceplan und GfK erstmals schon in einer Studie 2006 aufgedeckt, indem sie ganzheitlich alle Faktoren für Erfolg und Misserfolg bei Produktinnovationen mit einem spektakulären Ergebnis überprüft hat: Fehler in Kommunikation und Vertrieb sind zu einem viel geringeren Teil verantwortlich als bisher vermutet. Denn allein 60 Prozent der Flops scheitern bereits in punkto Innovationsgrad, Preis-Leistungs-Verhältnis, Zielgruppenstruktur und Markenpolitik.
Hat sich seitdem etwas geändert? Nein! Vielmehr sind weitere hausgemachte Ursachen dazugekommen: Die Unternehmen führen Marken nach Quartalsergebnissen und Vertriebszielen, verlieren sich in kurzfristigen Aktionen oder Rabatten, anstatt in nachhaltigen Markenaufbau und intensive Steigerung des Markenwertes zu investieren. Wurde zum Beispiel früher noch mit einer klaren Markenpositionierung und integrierter Kommunikation gearbeitet, zerbröseln heute die Marketingmaßnahmen oftmals in unverbundene Einzelmaßnahmen, die keine Wirkung erzielen.
Was können Unternehmen aus dieser Entwicklung lernen? Marken sind keine Produkte oder Unternehmen. Marken entstehen durch die kommunikative Wirkung der auf den Kunden nutzen ausgerichteten Unternehmensleistung „in den Köpfen“ von Menschen und leben vom fragilen Vertrauen ihrer Kunden. Markenführung heißt deshalb nicht Verkaufen von Produkten, sondern Gewinnung von Vertrauen.
Damit Marken dabei ihre Stärke und ihren Wert erhalten, empfiehlt es sich folgende Grundlagen für eine nachhaltige Markenführung im Unternehmen sicherzustellen:
1. Die Identität der Marke und den darin abgelegten Leistungs- und Nutzensinn kennen – dem Ideal der Marke folgen und nicht dem Idealbild des Marktes.
2. Die Vertrauens-Parameter des Marken-Erfolgsmusters kennen und dieses fortlaufend reproduzieren – sich selbst und nicht den Wettbewerb nachahmen.
3. Fortlaufende Rückkopplung mit den Kunden durchführen und auf den Kundennutzen ausgerichtete Innovationen erfinden – Dabei den Innovationsrhythmus nicht überdrehen.
4. Ein Frühwarnsystem etablieren, um proaktiv Beschädigungen des Kundenvertrauens zu vermeiden – Risiken frühzeitig erkennen und steuern.
Denn Marken haben, wenn sie nachhaltig geführt werden, weiterhin eine sehr hohe Relevanz für die Marktteilnehmer, vor allem wenn es um die Vermittlung des Leistungssinns und Kundennutzens geht.
Im Lebensmittelmarkt sind Marken, wie dm und Edeka hierfür ein gutes Beispiel. Marken Relevanz ist allerdings dynamisch, deshalb sollten Trends und sozio-kulturelle Faktoren fortlaufend untersucht und ausgewertet und mit der Identität der eigenen Marke abgeglichen werden. Nur so können Chancen und Potentiale für die Stärkung und wertschöpfende Ausrichtung der Marken frühzeitig erkannt und genutzt und Fehler in der Markenführung, die zum Stärke- und Wertverlust führen, vermieden werden. Dann tragen Marken lebenslang zur Erhöhung der Wertschöpfung im Unternehmen bei.