Das Massenphänomen Unikat
Zusammenfassung:
- Marken versprechen oft das Einprägsame und Einzigartige.
- Die Sehnsucht nach dem Besonderen ist ein Massenphänomen, auf das Marken abzielen.
- Der Konsument will oft ein personalisiertes Produkt.
- Gegenwärtiges Marketing strahlt eine hohe emotionale Anziehungskraft aus.
Um heute eine erfolgreiche Marke zu sein, brauchen Marken ein außergewöhnliches Profil. Sie werden als attraktiv wahrgenommen, wenn sie außergewöhnliches leisten oder zumindest versprechen. Wer heute dem Konsumenten den Durchschnitt, das Profane, das Standardisierte verspricht, der hat das Nachsehen. Es gibt nicht nur eine Explosion der Möglichkeiten, sondern auch mit eine Explosion des Besonderen. Wohin wir auch schauen im Marketing der Gegenwart, versprochen wird oft und gern das Besondere und Einzigartige: Radeberger – Schon immer besonders; Condor – Wenn fliegen, dann besonders; Jeden Tag besonders – einfach Aldi; Rivella – Der einzigartige Geschmack; Expert – Du bist einzigartig.
Der Vormarsch des Einzigartigen in der Architektur
In der Architektur lässt sich dieser Trend schon seit längerer Zeit beobachten. Der International Style mit seiner seriellen Bauweise wirkt monoton und ist seit der architektonischen Postmoderne der 1980er-Jahre auf breiter Front von einer Solitärarchitektur abgelöst worden. Museumsbauten wie der Louvre Abu Dhabi, Konzerthäuser wie die Elbphilharmonie und Flagshipstores wie von Apple sind heute überraschend, originell etc. Was alle eint, ist der Anspruch, für einen besonderen Stil stehen zu wollen. Dahinter verbirgt sich eine grundsätzliche Transformation räumlicher Strukturen. An die Stelle der austauschbaren Räume der klassischen Moderne sollen in unserer globalisierten und urbanisierten Welt heute wiedererkennbare Räume mit einer jeweils eigenen Atmosphäre und einem eigenen Style treten – um diese Orte dann mit besonderen Geschichten, Erlebnissen und Erinnerungen aufzuladen.
Trend zur Personalisierung
Die Konsumenten wollen immer weniger einheitliche Massenprodukte à la Nestlé, Unilever und Procter & Gamble. Sie wollen das besondere, das einzigartige Produkt. Zumindest als gefühlte Einzigartigkeit. Diese Sehnsucht nach dem Besonderen ist ein Querschnittsphänomen, das die gesamten westlichen Gesellschaften durchzieht. Der Trend geht weg vom Industrie-Bier, von der Industrie-Mode und vom Industrie-Essen. Weg vom Produkt und von der Dienstleistung „von der Stange“. Der Konsument will nicht ein Produkt, er will sein Produkt.
Meine These ist: Das Pils der Zukunft, die Schuhe der Zukunft und das Brot der Zukunft werden personalisiert sein. Personalisiert auch dank Algorithmen, die aufgrund eines exponentiellen Zuwachses an personalisierten Daten schon bald ganz genau wissen, was Sie und ich wollen. Die Künstliche Intelligenz wird dem Durchschnitts-Konsumenten den Wandel zum „Weinkenner-Konsumenten“ ermöglichen. Das heißt: Dieser will nicht mehr nur den besonderen Wein, sondern er wird diese Sensibilität des Weinkenners in Zukunft bei diversen seiner Konsumentscheidungen an den Tag legen.
Metaphorisch gesprochen wird der Konsument der Zukunft einen „Erstwohnsitz“ und einen „Zweitwohnsitz“ haben. Der Erstwohnsitz ist der „Ort des Alltags“. Hier möchte der Kunde einfach in einen Laden gehen und das benötigte Produkt kaufen. Der Einkauf soll schnell, bequem und einfach über die Bühne gehen. Es geht viel über das Signal Preis, denn es geht um den Konsum des Notwendigen. Der Zweitwohnsitz ist der „Ort der Sehnsüchte“. Hier kauft der Kunde Produkte für seine Träume, seine Ambitionen, seine Zukunft. Es geht alles über das Signal Marke. Denn der Mensch träumt an diesem „Wohnsitz“ von Status, von Schönheit, von Erfolg, sprich vom perfekten Leben. Es geht um den Kauf von Aufstieg und Glück. Hier werden Sehnsüchte in Konsum verwandelt.
Feldversuche am Unikat
Genauso wie Amazon beim Online-Shopping in Sachen Einfachheit, Bequemlichkeit und Schnelligkeit einen neuen Standard gesetzt hat, so wird der allgemeine Konsumstandard der Zukunft wie folgt sein: Attraktiv ist nur noch, was einzigartig, also personalisiert ist. Der Mensch – zumindest jener aus der neuen wohlhabenden Mittelklasse, also der Digitalisierungsgewinner – erwartet als Konsument, dass seine Wünsche und Vorlieben auf besondere Weise bedient werden.
Erste erfolgreiche Personalisierungsansätze bei Produkten und Verpackungen gibt es auch schon. Das geht von Lebensmitteln über Kosmetika bis zu Kleidung und Spielzeug. So bietet Nike zum Beispiel schon seit 2012 im Online-Shop unter dem Menüpunkt „PERSONALISIEREN“ seinen Kunden die Möglichkeit, Schuhe nach ihrem Geschmack zu gestalten. Von der Sohle bis zum Schnürsenkel ist mit NIKEiD alles veränderbar.
Der Kunde wird zum Designer und designt sich seinen persönlichen NIKE Schuh; die Marke Adidas bietet auf ihrer Website ein solches Feature ebenfalls an. Oder Apple ermöglicht beim iPod Touch und iPad mit zusätzlichen Geschenkoptionen die Personalisierung. Mit einer Gravur auf der Geräterückseite ist es möglich, das Geschenk zu individualisieren – und so ein standardisiertes Produkt in ein persönliches Produkt zu verwandeln. Und in über 100 österreichischen McDonald’s-Filialen gibt es seit 2016 das My-Burger-Konzept, bei dem sich der Kunde seinen eigenen Lieblingsburger zusammenstellen kann. Derzeit sind das noch profitable Feldversuche in der Nische. In bestimmten Konsumbereichen wird das Unikat aber in Zukunft zum Massenphänomen.
Der Wandel des Marketings
Erfolgreiches Marketing hat heute andere Anforderungen, es muss dem Kunden sein eigenes Konsumprofil versprechen. Bzw. dem Kunden die Möglichkeit bieten, sich sein eigenes Produkt- bzw. Dienstleistungsangebot zusammenzustellen. Wer heute maßgeschneiderte Produkte oder Dienstleistungen verspricht und anbietet, hat einen Wettbewerbsvorsprung.
Das funktionale Marketing ist passé. Das ist Marketing aus dem 20. Jahrhundert. Marketing des 21. Jahrhunderts ist kulturell aufgeladen und strahlt eine hohe emotionale Anziehungskraft aus. Gestützt wird dieses Statement auch von der modernen Hirnforschung, denn von der wissen wir, dass Menschen nur solchen Stoff verinnerlichen, der für sie in irgendeiner Weise emotional besetzt ist.
Fazit
Das Authentische, Attraktive und Besondere ist zentral für die Konsumkultur von heute. Der Konsument performt sein besonderes Selbst vor den Anderen, die auf Facebook und Instagram etc. zu seinem Publikum werden. Der eigene Lifestyle muss heute möglichst besonders sein. Wie man wohnt, was man isst und trinkt, wie man reist, wie man den eigenen Körper stylt und was man in der Freizeit mit seinen Freunden macht. Das Ideal ist längst nicht mehr die sozial angepasste Persönlichkeit, sprich der Durchschnittskonsument mit dem Durchschnittsleben. Das Ideal ist ein besonderes Leben.
Als Marke besonders zu sein ist daher kein Nice-to-have, sondern ein Must. Und das gilt für jede Marke. Egal ob B2C oder B2B, kommerzielle oder nicht-kommerzielle Marke.
Über den Autor:
Roland Albrecht ist Geschäftsführer der Markenagentur GoYa!
Mein Profil: Markendenker und Markenmacher.
Mein Motto: No risk, no fun – because it‘s better to be a pirate than to join the navy.
Warum diese Branche? – Weil Kommunikation die wunderbarste Sache der Welt ist.
Warum Markenagentur? – Weil ich an die Macht der Marke glaube.